Sonntag, März 22, 2009

Slumdog Millionaer

Gestern haben wir von Neuankoemmlingen einen Spiegel, die Zeitschrift, in die Haende bekommen. Ein Artikel ueber den Film Slumdog Millionaer, der die Oscars gewonnen hat, war fuer uns natuerlich besonders interessant. In ihm wird teilweise ziemlich genau das beschrieben, was auch wir in Indien erlebt haben, wenn wir mit Leuten gesprochen haben. In Indien wird der Film stark kritisiert, da er angeblich das Land beschmutzt, beleidigt oder sogar verraet. Der Grund ist: Spiegel:"In Indien ist Armut tabu; Armut beschaemt. Das ist der Grund dafuer warum Slumdog Millionaer hier so umstritten ist...Slumdog verletzt vor allem den Nationalstolz von Indiens aufstrebender Mittelschicht." Und genau das war auch unser Eindruck. Die neue Mittelschicht (ein ganz kleiner Teil der ind. Bevoelkerung!) ignoriert die Armut , sieht weg und auch sonst alles rosig. Dafuer sind sie die einzigen, die sich als Inder identifizieren und nicht ueber ihre Religion - so unser Eindruck.
Noch zwei weitere Anmerkungen zum Artikel:
Der wahre Gewinner der Quizshow arbeitet heute in den Slums Mumbais. Spiegel:" ...er kann die Aufregung (Anm.: in Indien ueber den Film) verstehen. In England hat man ihn mal gefragt, ob sie in Indien noch auf Elefanten reiten; das, sagt er, werde er den Englaendern nie verzeihen." Doch Tatsache ist: in Indien wird auf Elefanten geritten, nicht fuer Touristen, sondern als Arbeitstier (Last und Transport). Zwar nicht in Mumbai aber auf dem Land und in Dehli (auf der Strasse an unserem Hotel vorbei)! Natuerliche muessen nicht alle Inder auf Elefanten reiten, mehr Inder besitzen ein Auto. Aber eigentlich ist es noch schlimmer: die ganz grosse Mehrheit in Indien kann sich weder ein Auto noch einen Elefanten leisten! Das zeigt im Endeffekt, dass auch dieser Gewinner der Sendung, der mit den Armen arbeitet, schon geblendet ist.
Und zweitens zum Artikel insgesamt: obwohl der Artikel recht kritisch ist, entsteht meiner Meinung nach immer noch ein verfaelschter Eindruck. Es wird nicht klar, wie wenige zu dieser Mittelschicht gehoeren, denn in Deutschland verknuepft man mit dem Begriff Mittelschicht die Mehrheit der Bevoelkerung, was in Indien aber keinesfalls so ist. Ausserdem muss man sich vor Augen halten, dass es den "Armen in Deutschland" besser geht als dem Grossteil der indischen Mittelschicht. Dagegen mag es stimmen, dass sie grossen Einfluss besitzt (mehr als die deutsche Mittelschicht); Spiegel:"Indiens wahre Diktatur ist die Mittelschicht."
Und noch eine letzte Anmerkung: Spiegel:" Ein Drittel aller Inder, also um die 350 Millionen Menschen, bangten vor ihrem Fernseher und vor den Schaufenstern der Elektroageschaefte mit diesem mittellosen Studenten." (Anm.: als er die finale Frage beantwortet hat) Soviele Elektogeschaefte gibt es garnicht und in ihren Schaufenstern habe ich nie einen Fernseher laufen sehen. Und einen privaten Fernseher haben noch weniger! Ich denke eher, dass es in einigen Doerfern keinen einzigen Fernseher gibt. Und das ganz abgesehen vom Sprachproblem: Englisch verstehen eh nicht soviele Leute und auch auf Hindi verstehen sich nicht alle gegenseitig.
Trotzdem auf jeden Fall ein sehr empfehlenswerter Artikel.

Viele Gruesse,
Eric